Vorsicht vor „Kurszielen“

Analysten von Banken veröffentlichen regelmäßig sogenannte „Kursziele“ – also Preismarken, die eine Aktie innerhalb einer bestimmten Frist (oft 12 Monate) vermeintlich erreichen soll. Abhängig von der letzten Einschätzung erfolgt dann in der Regel eine Empfehlung: „Kaufen“, „Halten“ oder „Verkaufen“ – je nachdem, wie sich die fundamentalen Aussichten des besprochenen Unternehmens nach Meinung des Analysten in der jüngeren Vergangenheit entwickelt haben. Manche Anleger erhoffen sich durch derartige Analystenbewertungen einen Vorteil, weil sie der Ansicht sind, dass ein betriebswirtschaftlich geschulter Experte ja wissen müsse, worüber er schreibe und in der Lage sein sollte, die wirtschaftlichen Aussichten eines Unternehmens realistisch einzuschätzen.

Doch bei Analystenveröffentlichungen ist Vorsicht geboten. Sehr spektakulär hat dies der Fall Wirecard gezeigt, bei dem eine Analystin der Commerzbank regelmäßig euphorische Kursziele für den Zahlungsdienstleister vermeldete; noch bis kurz vor der Pleite des Unternehmens. Doch so weit muss es gar nicht erst kommen. Als Anleger sollte man – sofern man auf Analystenmeinungen im wahrsten Sinne des Wortes Wert legt – stets Vergleiche anstellen, was denn andere Banken zum selben Unternehmen sagen. Hier gibt es nämlich oft große Unterschiede. Sehen wir uns doch einfach mal das Beispiel Apple an. Wer nach Analystenbewertungen sucht, findet bei finanzen.net eine Übersicht unterschiedlichster Einschätzungen beziehungsweise Kursprognosen. Diese reichen von 75 $ (Goldman Sachs, 18.11.2020 – Apple stand damals bei rund 118 $) über 115 $ (UBS, 12.1.2021 – Apple damals bei rund 129 $) bis hin zu 150 $ (JP Morgan Chase, 4.1.2021 – Apple damals bei rund 129 $). Also eine klare Verkaufsempfehlung (GS), eine „Halten“ (UBS) sowie ein Mal „Kaufen“ (JPM). Was soll man als Anleger davon halten?

Zunächst einmal zeigt es, wie wichtig Vergleiche sind. Um zu verstehen, wie es zu solch höchst unterschiedlichen Kurszielen kommen kann, helfen zwei Hinweise. Erstens: alle Kursziele basieren auf Schätzungen des jeweiligen Analysten, was etwa künftige Umsätze, Gewinne und Cashflows angeht. Diese Zahlen werden dann in Modellrechnungen eingesetzt wie etwa dem Discounted Cash Flow-Verfahren. Das Problem dabei: es gibt unterschiedlichste Varianten dieses Verfahrens (und außerdem noch zahlreiche andere Möglichkeiten, den vermeintlich „fairen Wert“ einer Aktie zu berechnen). Und zweitens sollte man wissen, dass die meisten Banken – auch, wenn sie immer wieder auf ihre ‚chinese walls‘ hinweisen – bei vielen Unternehmen entweder eigene Aktien im Spiel haben (Eigenhandel) oder es sich mit Unternehmen nicht durch negative Bewertungen verscherzen wollen, weil man dann fürchten muss, keine lukrativen Beratungsaufträge mehr von diesen zu bekommen. All das sollte man also im Hinterkopf haben und am besten sich selbst so weit schulen, dass man die wichtigsten Fundamentaldaten eines Unternehmens selbst verstehen und interpretieren kann.

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